Die Privatisierung der Politik

Trump naked
Phillip Pessar / Flickr (CC BY 2.0)

Die ökonomische Privatisierung, also die jahrzehntelange Enteignung öffentlichen Eigentums zum Gewinn von immer wenigeren, hat in den vergangenen Jahren zusehends auch zu einer Enteignung und Privatisierung der Politik geführt.

Das bedeutet zum Einen, dass das Primat der Ökonomie über die Politik zunächst eine Art passive Privatisierung der Politik bewirkt hat, im Sinne einer Entpolitisierung: Politische Entscheidungen werden nicht mehr im Parlament erstritten, sondern in Hinterzimmern technokratisch-alternativlos verwaltet. Als Folge daraus kommt es auch bei den Bürgern zu einem Rückzug aus der öffentlichen politischen Debatte, oder sogar aus jeglichem politischen Leben. Man verschwindet etwa in die Halböffentlichkeit des (analogen oder digitalen) Stammtischs oder gar in die völlige Privatsphäre des heimischen Wohnzimmers, als Synonym für einen Raum, in dem keinerlei politische Interaktion mehr stattfindet.

Zum Anderen aber zeigt sich, dass sich diese passive Privatisierung aktiviert und (re)politisiert in einem Versuch der Wiederaneignung des Politischen. Dabei kommt es aber gegenwärtig häufig zu einer Art Gegen-Privatisierung der Politik in dem Sinn, dass das Öffentliche durch das Private „kolonisiert“ wird. Das exemplarische Phänomen für diese These ist Donald Trump, aber auch der sogenannte Rechtspopulismus generell.

Trump regiert per Twitter und Dekret weniger als repräsentativer Politiker, sondern eher als Privatperson. Sein Nepotismus, die Herrschaft seines Familienclans, wurde von Anfang an unverhohlen betrieben. Seine Politik eines extremen Nationalismus schließlich verbirgt unter der Maske der Gemeinschaftlichkeit eines neuen Wir-Gefühls,
dass dieses Wir-Gefühl letztlich nur über die Abgrenzung von anderen (Staaten, Völkern, Minoritäten etc.) funktioniert. Es ist somit letztlich doch wieder kaum etwas anderes als die mehr oder weniger gut kaschierte Entsprechung zum neoliberalen Individualismus des privaten Vorteils, gegen den seine Wähler sich doch dem Anschein nach wenden wollten – oder zumindest aller kausalen Vernunft nach wenden müssten.

Der Widerstand entkommt hier nicht der privativen Logik, die seine Lebenswelt bestimmt. Der weltweite neue Nationalismus erweist sich somit vor allem als politisches Pendant zur ökonomischen Dynamik von Individualismus und Privatisierung. Das eine geht aus dem anderen hervor. Die politischen Debatten dieses neuen Nationalismus oder Rechtspopulismus werden entsprechend nicht im Sinne einer „räsonierenden Öffentlichkeit“ geführt, sondern dienen häufig dem Ausdruck – zumeist negativer – persönlicher Gefühle und Befindlichkeiten.

Nun sind im Allgemeinen ein Ausdruck von politischen Gefühlen und eine generelle Repolitisierung der Gesellschaft erst einmal zu begrüßen. Doch ihre destruktive Verbindung im Sinne einer Privatisierung der Politik macht deutlich, dass dem gegenwärtigen politischen Leben etwas fehlt. Nämlich – für einen erheblichen Teil der Bevölkerung selbst demokratisch organisierter Staaten – die Möglichkeit, sich Politik konkret und konstruktiv (wieder) anzueignen, an politischen Themen und Debatten teilzuhaben und sie mitzugestalten.

Gebt den Bürgern ihre Stimme zurück!

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