Die Gefühle sind zurück auf der politischen Bühne. Aber vielleicht ist das gar nicht so schlecht und fatal, wie es vielen im Augenblick erscheint. Vielleicht liegt in dieser Emotionalisierung von Politik auch eine Chance. Eine Chance zur Belebung und Erneuerung unserer Demokrate.
Natürlich darf man die Probleme nicht leugnen oder übersehen: Die für viele von uns sehr unbefriedigende Situation, dass politische Debatten immer öfter in den sogenannten Hinterzimmern ökonomisch geschulter Politiker und ihrer Berater geführt werden, wird derzeit von extremistischen Politikern und ihren Parteien schamlos ausgenutzt. Und zwar gerade, indem sie gezielt auf Emotionen setzen: Während etwa die ‚Euro-Rettungspolitik‘ weit gehend aseptisch daherkommt und nur mit Zahlen und schwer verständlichen Formeln für sich wirbt, strotzen die Reden und Verlautbarungen der sogenannten Populisten nur so vor Emotionen. Und nur sehr selten setzen sie dabei auf positive Gefühle. Meistens machen sie sich auf die eine oder andere Weise Angst, Wut und Hass zunutze, um Unterstützung und Stimmen zu gewinnen.
Das ist alles andere als erfreulich. Es ist sogar brandgefährlich. Doch das Problem ist knifflig. Der Mensch ist zwar ein vernunftbegabtes Lebewesen, aber er ist eben auch ein emotionales Wesen. Wir leben, wir lieben, wir fürchten, wir hoffen und manchmal hassen wir auch. Wenn wir die Emotionen nicht aus unserem Leben verbannen wollen, dann müssten wir, für eine möglichst emotionslose Politik, die Politik aus einem Teil unseres Lebens verbannen. Beides sind keine erstrebenswerten Alternativen. Denn bereits jetzt zeigt sich eine ungute ‚Arbeitsteilung‘ zwischen politisch desinteressierten Nichtwählern und ‚volksfernen‘ Eliten, zwischen ‚denen da unten‘ und ‚denen da oben‘. Und dieser Riss wird nicht gekittet, sondern verschärft durch die emotional auftretenden ‚Populisten‘, die niemals ein gesamtes ‚Volk‘ (was immer das sei), sondern immer nur Teilgruppen der Bevölkerung eines Landes hinter sich versammeln.
Wie können wir es besser machen? Für den Anfang wäre es gut, von der Tabuisierung und Verteufelung der Gefühle in der Politik Abstand zu nehmen. Und uns stattdessen darüber Gedanken zu machen, wie wir unsere Demokratie so gestalten können, dass in ihr seltener die negativen, die destruktiven Emotionen ins öffentliche Leben eingreifen, sondern weitaus häufiger die positiven und konstruktiven. Die erfolgreiche Kandidatur Emmanuel Macrons als französischer Präsident ist ein Beispiel für eine solche Aktivierung und natürlich auch Instrumentalisierung positiver Emotionen. Der zweimalige Wahlerfolg Barack Obamas ein weiteres. Aber an der dramatischen Entwicklung in den USA sieht man auch, dass eine solche positive Emotionalisierung von oben sicher nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann, zumal in Demokratien mit sehr aktiven Zivilgesellschaften.
Hier bieten sich nämlich ganz andere Optionen. Wir können nach Formen der Beteiligung und politischen Entscheidungsfindung suchen, die positive Emotionen nicht nur aufrufen, sondern sogar selbst produzieren. Weil Menschen in ihrem Engagement und ihrer Wirkung merken, dass da ein Teil von ihnen selbst zu Politik wird. Wenn auch Sie glauben, dass in einem solchen konstruktiven – aber alles andere als naiven – Zugang zur Emotionalisierung von Politik Chancen liegen, dann informieren Sie sich gerne unten über weiterführende Texte und Links zur Thematik.
In Zukunft besser mit Gefühl?!
Die Emotionalisierung unserer Demokratie als Herausforderung und Chance: Mit|denker Andreas Schiel hat auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung im Stadtmuseum Dresden einen Vortrag gehalten. Hier geht’s zum Flyer der Veranstaltungsreihe, die Vortragstexte sind im Erscheinen.
Politische Emotionen in Aktion: Angesichts der Enthüllungen über die sogenannten „Paradise Papers“ plädiert mit|denker Tom Wohlfarth bei Zeit Online an die Wutbürger in uns.
Brauchen wir mehr Emotionen in der Politik?
Beim Berliner Theatertreffen 2017 befragte eine Konferenz die „Kunst der Demokratie“ in Zeiten der Krise. Ein Gespräch behandelte das spannungsvolle Verhältnis von Politik und Emotion. Mit|denker Tom Wohlfarth hat für das Online-Magazin L’Editie berichtet.
„Gefühle sind ebenso komplex wie Politik“
Interview mit Dr. Jan Eichhorn vom Thinktank d|part zu einer Studie, die Ängste in Bezug auf die EU analysiert und mit Einschätzungen von Parlamentariern und politischen Analysten der Parteien in Deutschland kontrastiert. Jan befürwortet einen differenzierten und bewussten Umgang mit Emotionen in der Politik, auf unserem Blog.
Warum eigentlich setzen wir uns nicht mit den psychischen und psychologischen Herausforderungen unserer modernen westlichen Gesellschaften auseinander, anstatt sie zu verleugnen? Die Demokratie gehört auf die Couch, schreibt mit|denker Andreas Schiel auf unserem Blog.
Der Erfolg der sogenannten (rechts)-populistischen Parteien beruht nicht zuletzt auf ihrem geschickten Umgang mit den Gefühlen der Wähler. Welche Lehren kann und sollte man daraus ziehen? Unsere Empfehlungen zum Umgang mit der AfD, beim Katapult Magazin, der Wochenzeitung der Freitag und als d|d-Publikation